
Begegnungstag für Haupt- und Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe NRW bringt Perspektiven zusammen
Haft und Wohnungslosigkeit sind eng miteinander verknüpft – in beide Richtungen. Wie es gelingen kann, diesen Kreislauf zu durchbrechen, war Thema beim diesjährigen Begegnungstag für Haupt- und Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe NRW.
Jährlich werden in Deutschland rund 90.000 bis 100.000 Menschen aus der Haft entlassen – viele von ihnen ohne festen Wohnsitz. Der Verlust einer Wohnung während der Haftzeit ist keine Seltenheit: Mietrückstände, fehlende Information über Unterstützungsleistungen oder der Wegfall familiärer Unterstützung führen dazu, dass die Rückkehr in ein stabiles Wohnumfeld nach der Entlassung erschwert ist.
Umgekehrt haben wohnungslose Menschen ein höheres Risiko, inhaftiert zu werden – etwa, weil sie ohne Meldeadresse keinen Zugang zu Sozialleistungen erhalten oder Bußgelder nicht zahlen können, was Ersatzfreiheitsstrafen nach sich zieht. Dieser sogenannte Drehtüreffekt – Wohnungslosigkeit führt zu Haft, Haft zu Wohnungslosigkeit – war ein zentrales Thema des Fachtags.
Einladung und Zielsetzung
Eingeladen hatte die Landeskoordinierungsstelle für das Ehrenamt in der Justiz bei der Diakonie RWL, die Haupt- und Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe begleitet und vernetzt. Die Veranstaltung bot Raum für Austausch, Diskussion und Reflexion – mit Vorträgen und Workshops zu den vielschichtigen Herausforderungen im Übergang zwischen Haft und Freiheit.
Eröffnungsvortrag: Soziale Ausgrenzung verstehen
Im Eröffnungsvortrag sprach Tobias Welp, Referent der Koordinierungsstelle, über die strukturellen Ursachen und Zusammenhänge von Wohnungslosigkeit und Inhaftierung. Unter dem Titel „Wohnungslosigkeit und Inhaftierung – Zwei Seiten sozialer Ausgrenzung“ machte er deutlich, dass Resozialisierung weit über den Vollzug hinaus gedacht werden muss – und dass es tragfähige Unterstützungsstrukturen braucht, die ineinandergreifen.
Praxisbeispiel: Das Projekt „sta(d)tt-Brücke“
Einen praxisnahen Einblick gab das Projekt „sta(d)tt-Brücke – endlich ein Zuhause“ aus Essen. Die Mitarbeitenden berichteten, wie sie Menschen mit Haft- oder Wohnungslosigkeitserfahrung auf dem Weg in eigenen Wohnraum begleiten – durch Vermittlung, Begleitung und Kooperation mit der Wohnungswirtschaft. Ihre Erfahrungen machten deutlich, wie wichtig persönliche Unterstützung und Vertrauen auf beiden Seiten des Mietverhältnisses sind.
Workshops und Austausch
In verschiedenen Workshops diskutierten die Teilnehmenden über Herausforderungen bei der Wohnraumbeschaffung, der Entlassungsvorbereitung sowie über die Rollenverteilung zwischen Haupt- und Ehrenamt. Es ging um Fragen wie: Welche Erwartungen bestehen im Übergang? Wo braucht es klare Verantwortlichkeiten? Und wie kann ehrenamtliches Engagement stabilisierend wirken, ohne überfordert zu werden?
Fazit
Der Austausch wurde von allen Beteiligten als offen, ehrlich und bereichernd wahrgenommen. Besonders geschätzt wurde die Gelegenheit, unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen und voneinander zu lernen. Dabei wurde deutlich: Eine gelungene Wiedereingliederung gelingt nur gemeinsam – durch das Zusammenspiel von Ehrenamt, Hauptamt im Justizvollzug, freie Straffälligenhilfe und Zivilgesellschaft.
Wohnen ist dabei mehr als ein Dach über dem Kopf – es ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Der Begegnungstag machte nicht nur bestehende Problemlagen sichtbar, sondern auch Mut, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten – mit Engagement, Vernetzung und einem klaren Blick auf die Lebensrealitäten der Menschen, um die es geht.